Der Zigarettenautomatentyp

Da ist son Typ. Der steht vorm Zigarettenautomat. Wirft gerade Geld rein. Kleine Münzen. Klimper, klimper. Wohltuendes Geräusch denkt er. Der Automat kriegt alles vom ihm. Für Nikotin tut er einiges. Vor kurzem hat seine Lebensabschnittgefährtin mal für ihn ausgerechnet wieviel Kohlen seine Sucht verschlingt im Monat. Schachtel am Tag, glatter Fünfer. Mal 30, keine schwierige Rechnung. Dann geht er noch 3 mal im Monat richtig zapfen, anner Hopfensäule, da haut er jeweils noch ne Packung extra weg. Macht also, summa summarum durchschnittlich 33 Schachteln. Dit janze mal Fünf, ist ein Betrag von 165€ im Monat. Was man wohl damit anfangen könnte, hat sie zu ihm gesagt. Dabei an Parfum und Dessous gedacht. Davon hätte er auch was. „Ich lass mir da nicht reinquatschen“ hat er geantwortet. Eiskalte Schulter, aber er ahnte , dass nicht wirklich er da sprach. Sondern die Maschine der Sucht in ihm.

Der Typ ist in der Woche auf dem Bau unterwegs. Er schleppt Stahlträger, mischt Beton, packt überall an. Nachts hilft er manchmal noch in der Tanke aus. Mindestlohn, für keine Mütze Schlaf. Aber muss ja jemand da sein, muss ja jemand machen. Und der Schlot kostet halt. Warum er nicht aufhört wird er oft gefragt, mit dem Rauchen, meinen sie und mit der Nachtarbeit. Ist doch alles Scheiße finden sie. Die anderen – Seine Kollegen und Freunde. Er geht da anders ran. Ihm ist klar, dass es einer machen muss. Jemand muss die Jobs bekleiden, die keiner machen will. Und Kleider machen die Wirtschaft. Altes Sprichwort. Putzen oder sowas, daran denkt er, wenn er davon spricht. An der Kasse stehen, mitten in der Nacht. Oder im Callcenter sitzen, ganz bucklig, aber Dienstleistung ist halt angesagt. Für ihn sind das die Grundpfeiler der modernen Gesellschaft, eine gewisse Opferbereitschaft des Proletariats. Aber eher unterbewusst, gar nicht so reflektiert oder so. Generell ist das ganze Nachdenken eine üble Verschwendung an Zeit. Denkt er.

„Der Mensch ist ein Arbeitstier“ hört man ihn öfter mal sagen. Aber dabei geht es ihm keinenfalls um eine differenzierte psychologische These, sondern er kennt den Spruch von früher. Von seinem Meister. Bei der Ausbildung. Jeden Tag um 6 raus. „Steine Kloppen“ wie sie die Arbeit auf dem Bau genannt hatten. Jeden Tag. Oft mehr als acht Stunden. Hungerlohn. Aber ständig Zigarettenpause. Er wird keine Rente bekommen, wenn er so weitermacht. Das hat sein Arzt zu ihm gesagt. Aber scheiß drauf denkt er. Man lebt nur einmal. Es ist eine große kuschlige Floskel in die er sich eingewebt hat. Nicht wenige sind neidisch auf seine Blindheit. Sie nennen es so. Oder Verschwendung, Ausbeutung, Ausnutzung, aber Neid ist da. Weil er doch irgendwie glücklich ist. Oder zufrieden oder sowas. Irgendeine Ruhe erkennen sie jedenfalls in ihm. Irgendwas das sie nicht haben. Und dabei ist er so ein armer Wurm. Objektiv betrachtet. Oder in Parametern, in Skalen oder wie auch immer man es messen will. Seine Freundin nennt ihn manchmal tatsächlich Würmchen, weil er so klein ist und manchmal so gestaucht daherkommt. Nicht schmächtig, nur wie ein großer Mensch, den man ein bisschen in die Breite nach unten gequetscht hat.

Sein Gesicht ist leicht gescheckt. Die Weiß-staubige Haut ist von Akne durchkämmt, er hat sie seit seinem Einsatz beim Straßenbau, die giftigen Gase vom flüssigen Teer haben ihr übriges getan. Aber das stört ihn nicht und seine Frau ist auch keine Schönheit. Er weiß das zwar, aber er liebt sie, wie sie ist. Kein großes Ding, spricht man nicht drüber. Man fühlt das ja schon. Dann muss man es ja nicht noch aussprechen. So rechtfertigt er sich selbst. Wenn er still neben ihr in der Küche sitzt, vor dem Fernseher oder sie am Elbufer spazieren. Von außen sieht er gedankenverloren aus, innen ist er aber ganz klar, geordnet, strukturiert. Er weiß, was er zuerwarten hat vom Leben und er weiß, was war. „Irgendwann ist Schluss mit dem Kasperletheater“, sagt er auch hin und wieder, meist zu sich selbst. So richtig weiß er nicht was er damit meint. Den Krebs, der ihn ereilen wird. Oder die Welt an sich. Seine Beziehung? Es sagt sich einfach gut. Irgendein Theater ist ja immer, deshalb passt es auch.

Jetzt kommt endlich die Packung aus dem Automaten. Er ist schon ganz zittrig. Seine rauen Finger blättern die Plastikfolie ab, dann der geübte Handgriff zur Öffnung der Pappe und schon steckt die Fluppe zwischen den Lippen. Das Funkenrad entzündet das Feuer. Das Gasfeuerzeug flammt auf. Jetzt steht er da. Leicht keuchend an den Automat gelehnt. Der erste tiefe Zug. Das Kribbeln. Die Erleichterung. Die Sättigung. Freiheit. Frieden. Schnell ist sie bis auf den Filter runter gebrannt. Die nächste folgt. Und am nächsten Morgen muss er früh raus. Und der Tag danach wird genauso aussehen. Aber da denkt er nicht dran. Er denkt an alles mögliche und doch an nichts. Es ist keine Utopie da, die sein Leben zunichte macht.

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