Am Rock deiner Mutter

Letzte Woche war es soweit. Tobias kam um Zwölf aus dem Haus deiner Mutter. Seine Hosen waren an den Knien zerschlissen und die Nachbarn sahen verwundert auf sein zerzaustes Haar. Tobias war weder der Mann deiner Mutter noch ihr neuer Freund, geschweigedenn ein Zuhälter, der sich ihren Körper in kapitalistischer Weise zu Nutze machte.

Vor ein paar Jahren war dein Erzeuger von uns gegangen. Er hatte im Lotto gewonnen und lebte nun irgendwo in Griechenland wo man ihn vergötterte. Ich weiß noch, wie du wütend den alten Fernseher auf dem Hof zertreten hast. Der Schweiß in deinem kindlichen Angesicht glänzte damals im Mondschein und vermischte sich mit deinen Tränen.

Als deine Mutter dann Tobias kennengelernt hatte warst du noch mit ihm zusammen gewesen. Ihr wart vielleicht drei Wochen ein Paar, als du ihn zum ersten mal mit nach Hause gebracht hattest. Er war ein Dealer gewesen, das Kind eines durchgeknallten Bullen, der in einer berauschten Nacht in einer Discothek drei Menschen erschlagen hatte. Deine Mutter muss für Tobias wie eine Mutter gewirkt haben und am Anfang beflügelte diese neue Geborgenheit die Liebe zwischen euch. Als du aber gemerkt hast, wie viel Zuneigung er für deine Mutter empfand hast du dich geekelt vor ihr. Bald darauf bist du ausgezogen und mittlerweile wohnst du wahrscheinlich irgendwo am Stadtrand, wo die Mieten noch zu bezahlen sind.

Tobias aber geht immer noch ein und aus bei deiner Mutter wie es ihm passt. Ihr habt nie darüber geredet was eigentlich vorgefallen war und auch sie, die dich immer sorgsam gepflegt hatte brachte bis zu diesem Tage kein Wort heraus. Die Würfel waren nun anders gefallen als du es dir erwünscht hattest. Deine lüsternde Mutter war in deinem Geiste zu etwas verkommen, dass du nicht mehr ertragen hast. Ob sie geweint hat, als sie erfuhr, dass du dich versucht hast umzubringen? Ich kann es nicht sagen.
Gestern hab ich dich an der Bushaltestelle gesehen, dich und deinen Neuen. Er muss ein Südländer sein oder sagt man das nicht mehr, jedenfalls wird er irgendwo aus dem Süden stammen nehme ich an. Seine gebräunte Haut war auffällig im Schare der käsigen Deutschen, zudem sah er deutlich jünger aus, weshalb ständig neugierige Blicke auf euch ruhten.

Du hast ihn damals kennengelernt als du im Krankenhaus gelegen hast. Er war irgendwoher aufgetaucht, kannte sogar deinen Namen, ein Retter im weißen Gewandt. Schon als er hereinkam hattest du gespürt, dass etwas besonderes passieren würde und nun, drei Monate später, wolltet ihr gemeinsam in sein Heimatland reisen um dort eventuell ein Haus zu kaufen und ein Leben zu Leben, wie du es dir hier erträumt hattest. Die Zeit aber hatte sich gewandelt, er wusste, dass er als Grieche verdammt war mit einer Deutschen, aber seine Entscheidung stand und mit ihr wollte er gemeinsam notfalls durch die Hölle gehen.

Als ihr eine Woche darauf im verträumten Küstenstädtchen eingefahren seid, konntest du dein Glück kaum fassen. Alles war so wunderschön, wie er es dir vorausgesagt hatte, wenn du in seinen Armen gelegen hattest und ihr im Park in die Wipfel der urdeutschen Eichen geschaut hattet. Selbst die Wolken waren wie von Meisterhand in atemberaubenden Formen gezeichnet und die hellgestichenen Häuser versprühten eine lockere Einfachheit von der du immer gehofft hattest, dass sie irgendwo für dich existieren konnte. Ihr fuhrt durch die engen Gassen und alles kam dir wohl so fantastisch vor, dass du glauben musstest, dass in dieser Welt kein Übel existieren konnte.

Als ihr aber ausgestiegen wart und dein Grieche dir seine Familie vorstellte, wurde deine naive Zuversicht mit einem Mal in winzig kleine Bruchstücke zerschmettert.

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