Es ist Dienstag der 10.Juli 2018. Horst Seehofer lümmelt gemütlich und sichtlich gut gelaunt in seinem Sessel. Vor ihm ein langer Tisch, an dem neben ihm eine Reihe beschäftigt wirkender Personen sitzen. Bei der Szenerie handelt es sich um die Pressekonferenz zur Vorstellung von Horsts Prestigeprojekt „Masterplan Migration“. Es ist ein dickes Heft mit 63 Punkten das vom markenrelauncheten Heimatministerium entwickelt wurde. Gerade erst, am 4.Juli hatte Horst Geburtstag und diesen nimmt er zum Anlass um elegant und in seiner ganz eigenen unverfänglich menschlichen Art auf eine grandiose Glanzleistung seiner neu geformten Abschiebekultur hinzulenken.
Während er stolz in die Runde der anwesenden Kollegen und Journalisten schaut, fasst er den Erfolg in Worte. „Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 – das war von mir nicht so bestellt – Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden.“ Die Kollegen lächeln derweil fröhlich in sich hinein. Horst schmunzelt vergnügt als er das lustige Zahlenspiel dropt. Wenn man ihn so beobachtet, kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass es ein berauschendes Gefühl sein muss, das Schicksal von 69 Menschen in seinem 69ten Lebensjahr massiv beeinflussen zu können. Wenn dieser Mengenzusammenhang keinen göttlichen, ja christlichen Hintergrund hat, dann kann es eigentlich keinen Gott geben.
Am Abend des gleichen Tages wird eine der 69 abgeschobenen Personen tot in einer Unterkunft in Kabul aufgefunden. Der 23 jährige Afghane, der seit 2011 in Deutschland geduldet gelebt hatte und aufgrund einer Verurteilung der Körperverletzung und des Diebstahls nun abgeschoben wurde, hatte sich mit einem Gürtel an einem Fenstergitter das Leben genommen.
Es ist Donnerstag der 12.Juli 2018. Ein sonniger Tag bricht an und Horst Seehofer tritt erneut freudestrahlend vor die Mikrophone der Nation. Die Knöpfe seines schwarzen Anzugs, der mit einer blau-weiß gestreiften CSU Krawatte kombiniert ist, scheinen seiner vor Stolz geschwellten Brust beinahe zum Opfer zu fallen. Langsam beugt er sich auf seinem Stuhl nach vorne. Dann blickt er noch einmal erwartungsvoll in die Runde der anwesenden Journalisten. Schon bevor er etwas sagt, scheint er innerlich zu feixen, er kann seine Mundwinkel kaum kontrollieren, sie schnellen immer wieder schelmisch Richtung Ohren. Dann endlich fasst er sich und spricht in gewohnt ruhigem Ton: „Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag – und das war gar nicht so abgesprochen – habe ich von meiner lieben Frau Karin einen neuen Schweinsledernen Gürtel geschenkt bekommen.“
[fiktionale Prosa]