Erlebniskonnex I

Es ist der 21.Februar 2014. Linda Venato sitzt wie immer um diese Zeit in der Bibiliothek. Draußen ist es gerade dunkel geworden. Sie schreibt an ihrer Magisterarbeit und blättert in einem Buch über Psychologie. Ihr Thema: Verfolgungswahn. Eine Vibration erklingt und sie schaut auf ihr Telefon. SMS von unbekannter Nummer.

04.März 2014
Die Bibliothek ist mäßig besucht. Draußen perlt der Regen von den Scheiben. Plötzlich, es ist exakt 18Uhr 17, fährt ein kahlköpfiger Mann mit einem grünen Fahrrad durch die schmale Eingangstür. Der Mann bleibt neben der kleinen Balustrade stehen und erhebt seine Stimme. Das Gemurmel aus dem Umkleidekeller verstummt. „Hört ihr nicht wie das Leben um euch weint?“ brüllt er wie ein Wahnsinniger in die Halle. „Das Leben, mein Werk. Ihr werdet sehen.“ Dann jodelt er kurz in sehr eigentümlicher Art. Angstvoll blicken sich die jungen Leute hinter der Balustrade an. Plötzlich zieht er etwas aus seiner hinteren Hosentasche. Es ist ein Zettel. „Ich hab eine Hausaufgabe für euch.“ setzt er wieder an: „Wer hat den Mut sie anzunehmen. Wer sieht die Hände am Ende der Strippen?“. Dabei tanzt er wie eine Marionettenpuppe. In den unteren Reihen schauen alle verstört auf ihre langweiligen Hausarbeitsthemen. Im oberen Rang glotzt die ganze Meute, wie ein gieriger Schlund, dem Wahnsinn schmeckt. „Niemand? Traut sich keiner von euch? – Ihr Feiglinge! Denunzianten!“ brüllt er, schwingt sich auf sein Fahrrad und fährt hinaus.

Der Saal atmet auf. Die Szenerie sättigt sich und alle lassen sich beruhigt, aber mit Gesprächsstoff versorgt auf ihre plattdeutschen Ärsche fallen. Doch plötzlich ist noch ein andere dumpfer Schlag zu vernehmen. Ruckzuck steht die Meute wieder. Arme fliegen in die Richtung, mit ausgestrecktem Zeiger. ›Da, da. Da ist eine zusammengebrochen.‹ wollen sie sagen. ›Da schaut. Wie geil, was für ein Tag, zwei krasse Sachen. Studieren kann so spannend sein‹. Doch niemand spricht diese Gedanken aus. Totenbleich liegt sie drüben hinter den Tischen. Studenten im Halbkreis staunen über die Magie der Biologie und sie denken an Julia Engelmann. Zwei beugen sich über den keuchenden Leib. Niemand weiß einen Rat, selbst der 37 Jährige Medizinstudent im 23 Semester blickt nichtssagend an der Präleiche vorbei. ›Verdammt, wenn es mal jetzt nicht zu spät für sie ist. So ein junges Ding.‹ – Nur die Finger sprechen gestenlos zu Fäusten geballt in die Hosentaschen.

Die Verkrampfte Gestalt versucht sich aufzurichten. Ihre Züge mehr unlebendig als menschlich, in der Hand noch das Telefon. SMS von Unbekannt: „Nun komm ich dich holen Linda. Ich hab eine Hausaufgabe für dich. Komm setzt dich auf mein Fahrrad“.

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert