Maschinenprosa #2

In einer eingeengten farblosen Kirche steht eine hässliche Transsexuelle. Belustigt stiert sie auf eine Photografie an der Wand abseits von ihr. Sie offenbart einen Fahrstuhl in dem Etwas hockt. Dieser Mensch ist WA Mozart. Auf seinem Pullover ist die Zahl 23 zu erkennen. Er hält eine Kettensäge in der gehobenen Faust. Abseits von ihm befindet sich ein Computer von altmodischer Natur. In der Kulisse eine rötliche Silhouette. Möglicherweise ist es ein Portrait der Unvernunft überlegt das Mädchen. Etwas daran ermahnt sie an heute. Eine seltsame Leidenschaft überkommt sie. Über dem Sessel ist ein Spiegel angebracht. Sie bemerkt ihre gnadenlose Miene. Da erklingt das Telefon. Ob das der Psychater ist?

Maschinenprosa #1

In einem schmalen dunklen Saal kniet eine dürre Alte. Hoffnungsvoll blickt sie auf eine Malerei an der Mauer neben ihr. Sie zeigt eine Gefängniszelle in der Irgendeiner steht. Dieser Mensch ist Adolf Hitler. Auf seiner Weste ist die Zahl 666 aufgedruckt. Er trägt eine Kettensäge in der abgetrennten Faust. Abseits von ihm steht ein Pissoir von normaler Ausartung. In der Kulisse eine gelbliche Silhouette. Vermutlich ist es eine Karikatur des Mutes denkt die Alte. Etwas daran erinnert sie an irgendwann. Ein lebhaftes Fieber ergreift sie. Oberhalb des Schrankes ist ein Spiegel angebracht . Sie begutachtet ihre tote Fratze. Da erklingt das Telefon. Ob das der Bote ist?

Maschinengedicht #2

Des Windes knapper Schein ist Mindestmaß bei tiefer Nacht,
und verfolgt etwas Unbekanntes, so schön wie der Stolz.
Des Fräuleins feuchter Trieb ist eine Hässlichkeit in dunklen Jahren,
und verfolgt ein Geheimnis, gar lüstern wie die Dämmerung.

Des Hasses klare Seele ist eine Mißgeburt in vollem Maße,
und macht sich ein Geheimnis, fast fröhlich wie der Horizont.
Des Hasses kurze Klarheit ist Unvernunft mit nichten,
und fordert eine Lüge, so vertrocknet wie der Tag.

Die Stulle

Die Stulle lag brach auf der Fläche, ihre Seiten waren trocken, fraglich, ob überhaupt noch Leben in ihr war. Ich biss dennoch ab und es gefiel mir, längst vergangener Geschmack bohrte sich in meinen Gaumen, er war so schwach, dass ich lange schmecken musste, um ihn überhaupt zu erfassen. Erdbeermarmelade und Butter war es wohl gewesen, bevor der Schimmel einschlug. Auch schmeckte ich längst vergorene Körnersorten, die Stulle konnte wohlmöglich Alkohol enthalten. Ich kaute kräftig, der Würgreiz brachte mich mehrere Male aus dem Gleichgewicht, ich lehnte mich vorn über, aber hielt die Zähne fest zusammen.
Eine Metapher könnt es nun sein, oder eine wahre Geschichte aus dem Kühlschrank oder eben nicht aus dem Kühlschrank, vielleicht eine Stulle, die unbeachtet ihre Tage hinter der Heizung gezählt hatte. Eklig würde es wohl in jedem Fall sein, Vergangenheit, Vanitas, Verfall, all diese Motive könnten in der Stulle stecken, aber auch Hoffnung ist da. Oder nicht? Würde man sonst in eine verfaulte Stulle hineinbeißen, würde man verzweifelt den Gärprozess und den Pilzbefall außer Acht lassen nur um den Geschmack zu erahnen, würde man?
Das Alte.
Ich kann mir vorstellen, dass das Alte so sein kann. Abstoßend, aber verlockend durch seine Beständigkeit.
Wir reden hier nicht von einer Ekelhaftigkeit würd ich sagen, vielleicht eher von einer Idee.
Eine alte Idee. Eine überholte Idee, eine, die nicht mehr mithalten kann, mit der Schnelllebigkeit.
Romantik?
Muss Romantik langsam sein?
Eine Idee kann romantisch sein. Ideen sind meistens romantisch, zumindest die, die kaum zu erreichen sind.
Die romantische Fäulnis, eine Art Vortodsphase.
Die Ehe?
Reden wir davon? Ist das die alte Idee, die romantische, die treibt und ziehen soll bis hin zum Tod.
Ist die Ehe die romantische Fäulnis oder eine unromantische Faulheit?
Beständigkeit als Nährboden für Faulheit, Faulheit als der Beginn der Fäulnis, Beständigkeit das Ende der Romantik.
Ist Romantik nicht durch Angst vor Unbeständigkeit geschürt?
Angst vor dem Tod, Angst vor dem Zertrennen.
Fäulnis.

Die zweifelhafte Linse

Rot färbte sich der Kragen, als Achim in den Sonnenuntergang fuhr. Die Linse vorne in seinem Photoapparat hatte er neu schleifen lassen, sie war nun unförmig, sodass in den Bildern seltsame Farbspiele und Formen entstanden. Künstler zu sein war nicht einfach in diesen Tagen, man musste schon mit einer feinen Idee aufwarten, sonst würde man selbst von der Bäckersfrau hinten beim Carree bemitleidenswert angesehen werden, so wie ein Künstler seine Mitmenschen angesehen hätte, wenn er nicht so bescheiden gewesen wäre. Die Linse hatte ihm einigen Ruhm eingebracht, es war immer die gleiche. Erst hatte er mit feinem Sandpapier die Oberfläche sorgsam bearbeitet, dann hatte er verschiedene Folien aufgeklebt und nun war ihm endlich das Diamantschleifgerät zur Hand gekommen und in der letzten Nacht hatte er bis in den Morgen an der Linse geschliffen. Seine Hände waren rau und Gelb von den Zigarren. Er wusste nicht wohin er fuhr, es war nur klar, das, was auch immer er photografierte, der Erfolg kommen würde. Er würde sich sonnen darin, würde braungebrannt irgendwann gesättigt heraustreten und merken, dass nicht ein Photo ihm den Erfolg beschert hatte, sondern die Idee.

Am Rock deiner Mutter

Letzte Woche war es soweit. Tobias kam um Zwölf aus dem Haus deiner Mutter. Seine Hosen waren an den Knien zerschlissen und die Nachbarn sahen verwundert auf sein zerzaustes Haar. Tobias war weder der Mann deiner Mutter noch ihr neuer Freund, geschweigedenn ein Zuhälter, der sich ihren Körper in kapitalistischer Weise zu Nutze machte.

Vor ein paar Jahren war dein Erzeuger von uns gegangen. Er hatte im Lotto gewonnen und lebte nun irgendwo in Griechenland wo man ihn vergötterte. Ich weiß noch, wie du wütend den alten Fernseher auf dem Hof zertreten hast. Der Schweiß in deinem kindlichen Angesicht glänzte damals im Mondschein und vermischte sich mit deinen Tränen.

Als deine Mutter dann Tobias kennengelernt hatte warst du noch mit ihm zusammen gewesen. Ihr wart vielleicht drei Wochen ein Paar, als du ihn zum ersten mal mit nach Hause gebracht hattest. Er war ein Dealer gewesen, das Kind eines durchgeknallten Bullen, der in einer berauschten Nacht in einer Discothek drei Menschen erschlagen hatte. Deine Mutter muss für Tobias wie eine Mutter gewirkt haben und am Anfang beflügelte diese neue Geborgenheit die Liebe zwischen euch. Als du aber gemerkt hast, wie viel Zuneigung er für deine Mutter empfand hast du dich geekelt vor ihr. Bald darauf bist du ausgezogen und mittlerweile wohnst du wahrscheinlich irgendwo am Stadtrand, wo die Mieten noch zu bezahlen sind.

Tobias aber geht immer noch ein und aus bei deiner Mutter wie es ihm passt. Ihr habt nie darüber geredet was eigentlich vorgefallen war und auch sie, die dich immer sorgsam gepflegt hatte brachte bis zu diesem Tage kein Wort heraus. Die Würfel waren nun anders gefallen als du es dir erwünscht hattest. Deine lüsternde Mutter war in deinem Geiste zu etwas verkommen, dass du nicht mehr ertragen hast. Ob sie geweint hat, als sie erfuhr, dass du dich versucht hast umzubringen? Ich kann es nicht sagen.
Gestern hab ich dich an der Bushaltestelle gesehen, dich und deinen Neuen. Er muss ein Südländer sein oder sagt man das nicht mehr, jedenfalls wird er irgendwo aus dem Süden stammen nehme ich an. Seine gebräunte Haut war auffällig im Schare der käsigen Deutschen, zudem sah er deutlich jünger aus, weshalb ständig neugierige Blicke auf euch ruhten.

Du hast ihn damals kennengelernt als du im Krankenhaus gelegen hast. Er war irgendwoher aufgetaucht, kannte sogar deinen Namen, ein Retter im weißen Gewandt. Schon als er hereinkam hattest du gespürt, dass etwas besonderes passieren würde und nun, drei Monate später, wolltet ihr gemeinsam in sein Heimatland reisen um dort eventuell ein Haus zu kaufen und ein Leben zu Leben, wie du es dir hier erträumt hattest. Die Zeit aber hatte sich gewandelt, er wusste, dass er als Grieche verdammt war mit einer Deutschen, aber seine Entscheidung stand und mit ihr wollte er gemeinsam notfalls durch die Hölle gehen.

Als ihr eine Woche darauf im verträumten Küstenstädtchen eingefahren seid, konntest du dein Glück kaum fassen. Alles war so wunderschön, wie er es dir vorausgesagt hatte, wenn du in seinen Armen gelegen hattest und ihr im Park in die Wipfel der urdeutschen Eichen geschaut hattet. Selbst die Wolken waren wie von Meisterhand in atemberaubenden Formen gezeichnet und die hellgestichenen Häuser versprühten eine lockere Einfachheit von der du immer gehofft hattest, dass sie irgendwo für dich existieren konnte. Ihr fuhrt durch die engen Gassen und alles kam dir wohl so fantastisch vor, dass du glauben musstest, dass in dieser Welt kein Übel existieren konnte.

Als ihr aber ausgestiegen wart und dein Grieche dir seine Familie vorstellte, wurde deine naive Zuversicht mit einem Mal in winzig kleine Bruchstücke zerschmettert.

Erlebniskonnex I

Es ist der 21.Februar 2014. Linda Venato sitzt wie immer um diese Zeit in der Bibiliothek. Draußen ist es gerade dunkel geworden. Sie schreibt an ihrer Magisterarbeit und blättert in einem Buch über Psychologie. Ihr Thema: Verfolgungswahn. Eine Vibration erklingt und sie schaut auf ihr Telefon. SMS von unbekannter Nummer.

04.März 2014
Die Bibliothek ist mäßig besucht. Draußen perlt der Regen von den Scheiben. Plötzlich, es ist exakt 18Uhr 17, fährt ein kahlköpfiger Mann mit einem grünen Fahrrad durch die schmale Eingangstür. Der Mann bleibt neben der kleinen Balustrade stehen und erhebt seine Stimme. Das Gemurmel aus dem Umkleidekeller verstummt. „Hört ihr nicht wie das Leben um euch weint?“ brüllt er wie ein Wahnsinniger in die Halle. „Das Leben, mein Werk. Ihr werdet sehen.“ Dann jodelt er kurz in sehr eigentümlicher Art. Angstvoll blicken sich die jungen Leute hinter der Balustrade an. Plötzlich zieht er etwas aus seiner hinteren Hosentasche. Es ist ein Zettel. „Ich hab eine Hausaufgabe für euch.“ setzt er wieder an: „Wer hat den Mut sie anzunehmen. Wer sieht die Hände am Ende der Strippen?“. Dabei tanzt er wie eine Marionettenpuppe. In den unteren Reihen schauen alle verstört auf ihre langweiligen Hausarbeitsthemen. Im oberen Rang glotzt die ganze Meute, wie ein gieriger Schlund, dem Wahnsinn schmeckt. „Niemand? Traut sich keiner von euch? – Ihr Feiglinge! Denunzianten!“ brüllt er, schwingt sich auf sein Fahrrad und fährt hinaus.

Der Saal atmet auf. Die Szenerie sättigt sich und alle lassen sich beruhigt, aber mit Gesprächsstoff versorgt auf ihre plattdeutschen Ärsche fallen. Doch plötzlich ist noch ein andere dumpfer Schlag zu vernehmen. Ruckzuck steht die Meute wieder. Arme fliegen in die Richtung, mit ausgestrecktem Zeiger. ›Da, da. Da ist eine zusammengebrochen.‹ wollen sie sagen. ›Da schaut. Wie geil, was für ein Tag, zwei krasse Sachen. Studieren kann so spannend sein‹. Doch niemand spricht diese Gedanken aus. Totenbleich liegt sie drüben hinter den Tischen. Studenten im Halbkreis staunen über die Magie der Biologie und sie denken an Julia Engelmann. Zwei beugen sich über den keuchenden Leib. Niemand weiß einen Rat, selbst der 37 Jährige Medizinstudent im 23 Semester blickt nichtssagend an der Präleiche vorbei. ›Verdammt, wenn es mal jetzt nicht zu spät für sie ist. So ein junges Ding.‹ – Nur die Finger sprechen gestenlos zu Fäusten geballt in die Hosentaschen.

Die Verkrampfte Gestalt versucht sich aufzurichten. Ihre Züge mehr unlebendig als menschlich, in der Hand noch das Telefon. SMS von Unbekannt: „Nun komm ich dich holen Linda. Ich hab eine Hausaufgabe für dich. Komm setzt dich auf mein Fahrrad“.

Erlebniskonnex II

Mit röhrendem Hackgeräusch dreht sich das in dünnen Darm gepresste Fleischknäul durch die Wurstschneidemaschine in der von vielen Bewohnern favorisierten Fleischerei in der Greifswalder Innenstadt. Die Wurstthekenfrau schaut fast etwas mitleidig auf den kleinerwerdenden phallischen Gegenstand oder ist es der wütende Blick einer alt gewordenen Emanze?

Die Schlange steht wartend am gläsernen Zahlschalter, als ein hochgewachsener Mann hereintritt. Am feinen Gang und dem ordentlich, mit einer sorgsamen Bewegung, gekämmten Barthaar sieht man sofort, dass er der Herr Professor ist. Einige junge Menschen schauen auf, schwingen sich aus den tiefen Speisesesseln und verbeugen sich. Nur der schrullige DJ-Typ, den hier alle Z(appel D.)eus nennen blickt in sein mit goldenen Steinchen beschlagenes Smartphone. Nachricht von Jürgen: ›Heut Saufen und Champions Lauge‹, der Typ lacht und schreibt: ›Bring mir mal ne Laugenbrezel und ne Maß mit du Rechtschreibenazi‹ dann kratzt er sich am linken Ohr, da wo ein Ring durchs Läppchen gestochen ist.

Der Professor ist sofort rangekommen. Sein Graumeliertes Haar, von Schuppen befreit (24 Stunden lang), glänzt in der Abendsonne, die durch die Frontscheibe des Ladens fällt. „2 Bocka, bitte“ raunzt er freundlich und zieht seinen Hut wie zum Gruß. Zwei Mädchen von jungem Alter sehen verliebt auf das wohlgeformte Gesicht des Mitvierzigers. Sie wollen Karriere machen, aber auf die alte Art, mit weit geöffneten Beinen. ›Erstmal Abi, dann zu Papi‹ steht in schwarzer Schrift bei der einen in die Haut gemalt. Soll wohl eine Anspielung auf Scheidungskinder sein, deren Vater über jede Menge Geld verfügt, denkt der Herr Professor, der alles andere als auf den Kopf gefallen ist. Professur mit 22, 3 Kinder, 2 Mercedes und natürlich ein Haus am Gardasee beim Hoeneß ums Eck, da wo die Moneten durch fette Hände in Eichhörnchenlederportmonees fließen. „Aber der ist’n Guter“ hat dem Dekan immer wieder der Profscout versichert.

Der Profscout war hier in Greifswald ein von Sportarten adaptierter Prototyp eines Menschen, der mit wachem Auge und gesundem Menschenverstand und so unbestechlich wie ein italienischer Priester die Ohren nach guten Lehrkräften offen hielt. Der Professor war ihm auf seiner Suche früh aufgefallen.Zum einen aufgrund des zumindest auf dem Papier makellosen Lebenslaufs und zum anderen durch die vielen Präsentkörbe. „Wenn dir jemand einen Präsentkorb schickt, dann kannst du ihm doch keinen Korb geben“, hatte der Profscout immer wieder wie entschuldigend zu seiner Frau Anneliese gesagt. Irgendetwas in ihm war sich uneinig mit der eigenen Vorgehensweise.

Der Dj-Typ hingegen schaute schon eine ganze Weile an seinem Display vorbei auf die jungen Mädchen, die immer noch dasaßen, obwohl ihre Teller schon seit einiger Zeit leer waren. Wie lange schon sehnte er sich nach etwas Frischblut aus dem Greifswalder Jungbrunnen. Aber wie er auch grübelte wollte ihm nichts Gescheites einfallen und so beließ er es dabei, auf den nächsten Samstag zu warten wenn es wieder heißen würde: „The Last Girl takes the DJ“ was hier sowas wie das Pendant zu einem Kalkbrennerkonzert auf Mallorca darstellen sollte, nur korrekter und künstlerisch angehaucht, mit dem gewissen Flair.

Langsam lockerte sich die Anspannung, die der Professor mit seiner Anwesenheit hineingebracht hatte. Gespräche wurden lauter, das Schmatzen ätzender und auch die Fritteuse gluckerte wieder unaufhörlich wie eine Frisöse. Als der Graumelierte sein Essen entgegennahm war auffällig zu beobachten, dass die Hand der Kassiererin ihn länger als üblich berührte. Der Blickkontakt zwischen den Beiden ließ vielleicht sogar einen fiktiven körperlichen Akt erahnen, den die Beiden in einvernehmlichen Gedanken vollführten. Wenige Sekunden später, als sie sich aus ihrer innigen von niemand zu erkennbaren Umarmung gelöst hatten, blickte die Fleischerin vielsagend zur Wurstschneidemaschine und schien mit ihren Augenbrauen irgendetwas sagen zu wollen. Mit einem Mal zerbrach das interpretative Instrument in der Hand des Beobachters und war von da an unabdingbar zerstört.