Reisebericht Griechenland

Allgemeine Reflexionen

Zunächst einige Worte zu Griechenland an sich. Wir landeten und starten im schönen Ort Thessaloniki, einer zerfledderten Stadt mit gut 300.000 Einwohnern, die am Ufer der Bucht entlang verstreut lag. Unsere Villa, die wir, wie es in diesen Zeiten Hipp und schön ist, bei airbnb gebucht hatten, lag eine knappe Autofahrt entfernt auf der legendären Halbinsel bei Michianio. Das Haus war schön und gut, mit vier Schlafzimmern und allerlei zusätzlicher Super-Ausstattung, so etwa ein Steinofen und eine Rutsche für Kinder aus rosa Plaste. Die beste Erfindung lag jedoch im Antiinternet, welches dort perfekt funktionierte und dessen Empfang bis in jedes Zimmer reichte.

Was sofort auffiel, waren die vielen wilden Hunde, die überall durch die Straßen liefen, in den Büschen lagen und deren Kadaver irgendwo in der Wildnis verrotteten. Des Nachts veranstalteten sie wilde Bellkonzerte, zu denen man rhythmisch im Bett tanzen konnte. Die Häuser in unserem kleinen Dorf wirkten teilweise vernachlässigt, verlassen, verstaubt und der Putz blätterte von den Wänden. Die vorherrschende Farbgebung war sandgelb und staubbaige. Viele Pflanzen waren vertrocknet, nur die Oliven- und Dattelbäume spendeten etwas intensives Grün in die Landschaft. Touristisch war das Gebiet gänzlich unerschlossen. Es gab zwar eine kleine Minigolfanlage in der Nähe, die jedoch nur in den Abendstunden öffnete und auch nicht gut besucht war. Wenn es Touristen gab, so kamen diese nach unserer Einschätzung aus anderen Regionen Griechenlands. Etwas weiter entfernt befand sich ein feiner Sandstrand, direkt am Zipfel der Halbinsel, auf dem die Raviera Beach Bar aus Holz im besten Fusion-Stile aufgebaut war. Dieser Strand sollte der Mittelpunkt für einige unvergessliche Abenteuer werden.

Die Preise waren dort zwar ordentlich gebuttert, aber der Service mit soliden Sonnenstühlen und kühlen Getränken trieb uns immer wieder hin. Und das Wasser war so herrlich warm, dass man ohne Auskühlungsgefahr bis zu einer Stunde darin aufquellen konnte. Der Salzgehalt war hoch und so schwamm man easy umher wie der junge Phelps, wahrscheinlich sogar ein bisschen schneller. Neben dem Strand lag überall Müll herum: zerschlissene Plastiktüten, Eimer, Verpackungen, Kabel und Gerätschaften, Becher und Schachteln, Zigarettenstummel und Knochen. Warf man also den Blick Richtung Meer, so war es ein herrlicher ungetrübter Anblick, wendete man ihn jedoch nach links oder hinten, so verfärbte er sich schnell, wurde weniger schön, fast hässlich. Es musste vielleicht etwas mit der Krise zu tun haben, dachten wir. Aber wohl möglich waren es auch nur die Unbedachtheit und die Skrupellosigkeit Mancher, die dem Wohle der Natur noch unreflektierter gegenüberstanden als unsereins. Von der Krise bekamen wir ansonsten nicht viel mit. Das Elend war zumindest nicht direkt auf der Straße zu beobachten. In Thessaloniki schliefen ein paar Obdachlose auf einem Grünstreifen, aber es waren nicht mehr als im Tiergarten in Berlin.

Thessaloniki

Was natürlich auffiel, war das deutlich regere Treiben und Arbeiten in den Abendstunden oder Nachts. Tagsüber war es aber auch aufgrund der Hitze fast unmöglich eine körperliche Tätigkeit mit voller Effizienz durchzuführen und auch mental waren deutliche Hitzeerscheinungen in unser Reisegruppe zu erkennen. Dies führte sogar dazu, dass eine besonders gehirnvertrocknete Person den dringenden Wunsch verspürte ein Wasserspray zu erwerben.

Die kulinarischen Erkenntnisse:
1) Es gibt dort in den kleinen Orten sehr gute Backstuben, die leckeres Gebäck mit Nüssen und Schokolade und natürlich auch Baklava verkauften.
2) Die Fleischspezialitäten waren meist sehr einfach gehalten, aber oft dennoch sehr lecker.
3) Salate gab es reichlich, die meist mit 1 oder 2 Litern Zaziki angereicht wurden oder einer formidablen Scheibe Feta.
4) Besonders die frittierten Zucchini-Scheiben stachen durch ihre Knusprigkeit und ihren Geschmack hervor.
Die besten Erfahrungen machten wir in Michaiona, einer kleinen Ortschaft 10 Minuten von unserem Haus entfernt.

Besondere Ereignisse:
a) Das Unterwasserfeuerwerk
Als wir das erste Mal nachktbadeten erwartete uns eine erstaunliche Überraschung unter der Wasseroberfläche. Als wir ins schwarze Nass einstiegen wussten wir noch nicht, was gleich passieren würde. Im Wasser entstanden bei Berührung kleine Lichtexplosionen. Wenn wir mit unseren Händen herumrührten war das wie ein Meer an Unterwassersternen, die dort kurz aufleuchteten. Dieses Phänomen der Biolumineszenz war mir vorher nie zu Gesicht gekommen und umso faszinierter war ich über die fantastischen Fähigkeiten der Natur.

b) Auf glühenden Kohlen
Gleich am ersten Tag entdeckten wir auf dem Weg zum Haus einen kleinen, süßen Fußballplatz. Mittags kehrten wir für eine wilde Partie zurück. Der Platz lag in der prallen Sonne und bereits nach wenigen Minuten spürten wir, dass unsere Füße sich trotz Sockenschutz so enorm erhitzten, dass es sehr schmerzhaft wurde. Ich kam auf die geniale Idee sie zur Abkühlung mit Wasser zu begießen, was leider jedoch einen gegenteiligen Effekt auslöste und unsere Füße eher kochte als schütze. Nach 5 Minuten musste mein Team aufgrund von akuter Brandblasenentwicklung aufgeben.

c) Die Legende der betrunkenen Tänzerin
Als wir eines Nachts zum Strand zurückkehrten, um erneut dem Unterwasserfeuerwerk beizuwohnen, kam es zu einer unvergesslichen Begegnung. Wir hatten uns gemütlich zunächst auf eine der Strandliegen gelegt, um altersgerecht das Rauschen des Meeres zu genießen, als plötzlich von rechts her am Strand eine Besucherin der Beach Bar in unsere Richtung schlenderte. Wir beobachteten, wie sie langsam näher kam und dann unmittelbar vor uns zu tanzen begann, mit dem Füßen leicht im Wasser, aber mit sehr abwechslungsreichen ausschweifenden Bewegungen. Da das Licht von hinten zu ihr hinüber schien, musste auf uns ein tiefer Schatten gelegen haben, in dem sie uns nicht sehen konnte. Ihr Tanzeinlage ging noch viele Minuten, bis wir uns deutlicher regten, um auf uns aufmerksam zu machen. Da verschwand sie so schnell, wie sie gekommen war.

d) Die olympische Disziplin
Eines Tages fuhren wir zum Olymp, der eine Autotour von fast 3 Stunden entfernt auf der anderen Seite der Bucht lag. Dort besuchten wir die Badestelle des Zeus, in der man selbst jedoch nicht baden durfte, da sie nur für Götter bestimmt war. Diese Wasserstelle war ein Stück weit oben gelegen und sie war Quell für einen kleinen Fluss, der sich in einem Tal schlängelte.
Am Fuß des Olymps

Ein Stück hinter der Quelle waren einige felsige Grotten, um die sich eine Großzahl an Jugendlichen tümmelten, die dort von einer Anhöhe hineinsprangen. Einige von uns begann es ihnen gleichzutun, also sich aus schier schwindelerregender Höhe von 4m oder mehr hinabzustürzen in das kleine Wasserloch. Es sah gefährlich aus was wir da taten und es war bei Todesstrafe verboten, aber wir taten es mit Bravour und Freude. Manch einer von uns wird noch ein Leben von der Bewältigung dieser bedrohlichen Herausforderung zehren.

e) Der kleine Begleiter
Gleich am ersten Tag lernten wir das wohl lieblichste Geschöpf dieser Erde kennen, eine kleine Katze, die die Vormieter unseres Hauses aus einer Mülltonne gerettet hatten. Sie war dermaßen verspielt, das zumindest immer einer von uns in Vollzeit mit ihr beschäftigt war. Zudem war sie ein großer Menschenfreund, schnell hatte sie uns alle liebgewonnen und schmiegte ihren kleinen geschundenen Körper an uns. Es ist der wohl schmerzlichste Verlust dieses Urlaubs, dieses freundliche Geschöpf dort zurückzulassen.

Die Wahl des Kröterichs

zum Hören

zum Mitlesen
Klaus Kröterich sitzt vor seinem Laptop der Marke Acer. Auf dem Schreibtisch steht ein großer kalter Pott Kaffee, ein niegelnagelneuer Baseballschläger aus Aluminium liegt daneben. Die Maschine schnurrt wie ein in die Jahre gekommenes Kätzchen. Die Nadel der eingebauten physikalischen Festplatte hämmert unrund durch die Rillen bei jeder Umdrehung. Ist alles nicht mehr ganz neu beim Kröterich. Aber so richtig Arbeiten für was Besseres will er auch nicht. Dennoch sitzt er auch da vor seiner antiquarischen Maschine und tippt. Der Text soll ein Anschreiben darstellen für einen Job als Kassierer bei einer Drogeriekette, zu der sich Klaus weniger als halbmotiviert gezwungen sieht. Doch der Text ist nicht geeignet, um ein Bewerbungsgespräch zu bekommen. Zuviele Rechtschreibfehler irren in den Zeilen umher, zuviele ungeschickte Satzformulierungen offenbaren sein unterdurchschnittliches Engagement, zwischendrin hat er zuviele unpassende Argumente für sich ins Rennen geworfen. Eigentlich manifestiert sich seine gesamte, ausufernde Faulheit, seine lümmelhafte Lethargie in diesem Schreiben. Und in Kevins Kopf wuchert eine wegweisende Entscheidung. Er hat die Wahl zwischen diesem Anschreiben und dem damit im besten Fall verknüpftem anschließenden jahrelangen Schuften oder einem Mord. Einem Mord an seiner Mutter, der stinkreichen geizigen Witwe Helga Kröterich.
Er versucht auf dem rechten Pfad zu bleiben. Er hat sich nicht nur vorgenommen ein guter Mensch zu bleiben, er will es auch sein. Nochmal huscht sein Blick durch die Zeilen seines Schreibens, dort fügt er ein h hinzu, hier ein e, da ein zweites m. Den vierten Satz stellt er komplett um, eine Meisterleistung. Weiter unten sucht er sogar extra ein paar Synonyme heraus, einen langen Satz macht er zu zwei kurzen, das ganze nimmt Gestalt an. Doch mit dem Prozess des Schreibens setzt auch einer des Denkens ein. Eine Phantasie übernimmt sein Unterbewusstsein. Er sieht sich an der Kasse sitzen, stundenlang das Piepen im Ohr, akneübersähte Jugendliche fragen nach der besten Hautreinigungstinktur, die immergleiche Frage nach dem Bonbedarf, die Ungemütlichkeit des billigen Drehstuhls, die Hektik des Abkassierens, die ermüdend redundante Armbewegung von rechts nach links, das nervige Kopfrechnen…

In dem Moment, indem ihn der Mut verlässt, fällt eine Münze.

Zuerst streift er sich die gelben Lederhandschuhe bis zu den Handgelenken rüber, dann greift er sich den Baseballschläger aus Alu, geht ein Stockwerk tiefer und haut seiner Mutter den Schädel ein. Zack, kapuff, die Luft entweicht, der Kopfknochen knackt, Blut strudelt, sie sinkt auf den Eisbärpelz im Wohnzimmer, das wars. Er zieht ein paar Schubladen aus den Schränken, wühlt in den Sachen herum, wirft die Schmucksammlung quer durchs Zimmer, schlägt mit einem großen Zimmermannshammer auf den mickrigen Tresor ein, bis dieser aufspringt, kippt die Blumenkübel um, zerschlägt die Nachtschränke, lässt die Aufbewahrungsgläser auf den Fliesen in der Küche zerspringen, streut den Inhalt der Handtaschen in den Flur.
Die wertvollsten Sachen wirft er in einen kleinen Beutel, den er unter einer losen Stufe im Hausflur versteckt. Dann geht er hoch, direkt in seine Küche, greift das kleine Holzbrett, das schärfste Messer und eine Zwiebel. Er durchtrennt das Rundgewächs mit einem schwungvollen Hieb und presst den süßen Saft mit seiner starken Bärenhand in ein kleines Shotglas, streift die Handschuhe ab und wischt sich die wässrige Lösung über die Augenlider, viele Male, bis seine Augen vor Tränen nichts mehr sehen als Schemen und Schatten. Wie einstudiert greift er zum Telefon, wählt die 110 und schluchzt ins Telefon was vorgefallen ist, ein Raubmord, viel Blut, alles durchsucht, alles weg, “kommen Sie schnell, kommen Sie schnell”, er ist in der Rolle seines Lebens. Die Polizei trifft dann ein, er hockt schon bereit im Flur auf der losen Stufe mit seinen feuerroten, tränenden Augen. “Tag. Ja. Tot. Ich habe einen Schrei gehört, Getrampel und Rumpeln. Dann bin ich runtergestürmt aber es war zu spät. Tot meine liebste Mutter. Tot.” Photos werden gemacht, eine Liste mit dem Diebesgut wird aufgestellt, eine Seelsorgerin wird herangefahren, Klaus spielt sein Meisterstück, der Fall wird bald niedergelegt. Die Frau war eh alt und alles sah nach Raubmord aus.

Einen Monat später. Klaus Kröterich sitzt vor seinem Macbook der Marke Apple. Auf dem Schreibtisch steht ein großer dampfender Pott Kaffee, eine niegelnagelneue Rolex glitzert an seinem Unterarm. Die Maschine gibt keinen Ton von sich. Er sitzt davor und tippt. Der Text soll eine Stellenausschreibung darstellen für einen Job als Butler in seinem Haus.